Mittwoch, 19. Juni 2013

Berufsunfähigkeitsversicherung

von Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht Dr. Florian Schlenker, Stuttgart

Im Folgenden erhalten Sie Informationen über das Rechtsprodukt Berufsunfähigkeitsversicherung.
Wenn Sie berufsunfähig sind und BU-Rente beantragen wollen, erhalten Sie weitere Informationen im Artikel "Berufsunfähigkeitsversicherung: Versicherungsfall richtig melden".
Sollte Ihre Versicherung die Leistung bereits abgelehnt haben oder die Leistungsprüfung verzögern, lesen Sie weiter im Artikel "Berufsunfähigkeitsversicherung zahlt nicht - was tun?"

Die Berufsunfähigkeitsversicherung kann als selbstständige Berufsunfähigkeitsversicherung oder als Zusatz zu einer Lebensversicherung oder Rentenversicherung (so genannte Berufsunfähigkeitszusatzversicherung) abgeschlossen werden.
Hauptzweck der Berufsunfähigkeitsversicherung ist es, das Risiko des sozialen Abstiegs im Falle der Berufsunfähigkeit abzusichern. Die Versicherungsleistung ist bei Berufsunfähigkeit des Versicherungsnehmers zu erbringen, unabhängig davon, ob bei diesem dadurch eine Einkommenseinbuße eintritt oder nicht. Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist also nicht Schadenversicherung, sondern Personenversicherung und zugleich Summenversicherung.
Nach der Rechtslage vor der Reform des Versicherungsvertragsgesetzes 2008 wendet die Rechtssprechung die Regeln der Lebensversicherung nach den §§ 159 ff. VVG auf die Berufsunfähigkeitsversicherung an, soweit Besonderheiten der Lebensversicherung und der Berufsunfähigkeitsversicherung nicht entgegenstehen.
Die Vertragsdauer ist in der Regel bei Frauen auf das Ende des 60., bei Männern auf das Ende des 65. Lebensjahres beschränkt. Die Berufsunfähigkeitsversicherung ist also keine Form der Altersvorsorge, sondern beschränkt sich auf die übliche Dauer der Berufstätigkeit des Versicherungsnehmers.
Der Begriff des Berufs ist nach dem Grundsatz der objektiven Auslegung zu bestimmen. Er wird nicht in den Versicherungsbedingungen definiert, sondern orientiert sich an Art. 12 I GG. Demnach handelt es sich um eine auf Dauer angelegte, der Schaffung oder Erhaltung einer Lebensgrundlage dienende Tätigkeit. In dieser Definition ist auch die Tätigkeit als Auszubildender oder Student enthalten.
Für den Begriff der Berufsunfähigkeit kommt es nicht auf die allgemein gesundheitliche Leistungsfähigkeit an. Entscheidend ist, ob und wie sich eine Beeinträchtigung der Gesundheit in der konkreten Berufsausübung auswirkt. Wechselt der Versicherungsnehmer den Beruf während der Laufzeit des Versicherungsvertrags, so ist auf den neuen Beruf in seiner konkreten Ausgestaltung abzustellen.
Nach § 2 Abs. 1 der Musterbedingungen des Gesamtverbandes der Versicherungswirtschaft (BUV) liegt Berufsunfähigkeit vor, „wenn die versicherte Person infolge Krankheit, Körperverletzung oder Kräfteverfalls (...) außerstande ist, ihren Beruf oder eine andere Tätigkeit auszuüben, die aufgrund ihrer Ausbildung und Erfahrung ausgeübt werden kann und ihrer bisherigen Lebensstellung entspricht.“
Nach den Musterbedingungen kann der Versicherungsnehmer also darauf verwiesen werden, statt seines Berufs eine andere Tätigkeit ausüben zu müssen, sofern sein Gesundheitszustand dies zulässt, die Tätigkeit der bisherigen Lebensstellung entspricht und der Versicherungsnehmer entsprechend qualifiziert ist. Diese Klausel kann für den Versicherungsnehmer problematisch sein, wenn keine geeignete Stelle auf dem Arbeitsmarkt vorhanden ist. Ferner sind Einkommenseinbußen in beträchtlicher Höhe hinzunehmen. Häufig ist diese Verweisungsklausel daher Streitgegenstand zwischen Versicherer und Versicherungsnehmer.
Der zunehmende Wettbewerb im Bereich der privaten Berufsunfähigkeitsversicherung hat jedoch dazu geführt, dass die abstrakte Verweisung der Musterbedingungen in vielen Verträgen nicht mehr zu finden ist. Hier kommt es auf die genaue Formulierung einer Alternativklausel an. Einen völligen Verzicht auf die Verweisungsmöglichkeit gibt es hingegen selten.
In § 5 der Musterbedingungen sind als Ausschlussklauseln unter anderem genannt:
  • Berufsunfähigkeit, die durch eine Vorsatz-Straftat entstanden ist
  • Berufsunfähigkeit durch absichtliche Herbeiführung von Krankheit oder Kräfteverfall
  • Absichtliche Selbstverletzung oder Selbsttötung mit der Ausnahme solcher Handlungen, die im Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit begangen wurden
  • Schnellfahrtveranstaltungen mit Kraftfahrzeugen
  • Berufsunfähigkeit durch bestimmte Arten energiereicher Strahlung mit der Ausnahme ärztlicher Aufsicht
  • Berufsunfähigkeit durch Unfälle, die bei beruflicher Tätigkeit im Zusammenhang mit Luftfahrzeugen entstanden ist. Anzumerken ist, dass diese Klausel für Fluggäste und Reisende keine Bedeutung erlangt. 
Daneben werden häufig individuelle Ausschlussklauseln vereinbart, die mit Vorerkrankungen des Versicherungsnehmers zusammenhängen. Dies betrifft etwa häufig solche Versicherungsnehmer, die bereits vor Abschluss des Vertrages an Rücken-/Wirbelsäulenerkrankungen leiden oder litten. Typischerweise wird dann die Berufsunfähigkeit als Folge einer Erkrankung der Wirbelsäule vom Versicherungsschutz ausgeschlossen.
Bei Eintritt des Versicherungsfalls verpflichtet sich der Versicherer in der Regel zur Zahlung einer Berufsunfähigkeitsrente in der vereinbarten Höhe und zur Befreiung von der Beitragszahlungspflicht. Letzteres ist besonders bei der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung bedeutsam, wenn sie mit einer Hauptversicherung verbunden ist, die eine hohe monatliche Prämienzahlung vorsieht.
Bei der Berufsunfähigkeitszusatzversicherung, die mit einer Lebensversicherung verbunden ist, wird die Höhe der monatlichen Berufsunfähigkeitsrente prozentual zur Versicherungssumme der Lebensversicherung berechnet. Bei der selbstständigen Berufsunfähigkeitsversicherung wird dagegen ein monatlicher Festbetrag als zu leistende Rente vereinbart.
Die Abwägung, ob bei einer bestimmten Erkrankung noch Arbeitsunfähigkeit oder bereits Berufsunfähigkeit vorliegt, kann im Einzelfall problematisch sein (siehe auch den Artikel zur "Zwickmühle" zwischen Krankentageld und Berufsunfähigkeitsrente).
Als Rechtsanwalt und Fachanwalt für Versicherungsrecht berate und vertrete ich Sie gerne in Stuttgart und bundesweit in allen Fragen der Berufsunfähigkeitsversicherung.

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